Finanzlage bestimmt die Handlungsfähigkeit

Langenhagen. Es handelt sich durchaus nicht um „ein weiteres Schwein, das durchs Dorf getrieben wird“, wenn WAL und BBL darauf hinweisen, daß die Stadt Langenhagen wohl unausweichlich, aber spätestens im Jahr 2024, auf die finanzielle Handlungsunfähigkeit zusteuert. Denn das freiwillige Innehalten gehört nicht zu den Stärken der Verwaltung und der sie tragenden Parteien CDU, SPD und GRÜNEN. Zusammen mit dem amtierenden Bürgermeister Heuer halten Sie alle die Augen fest verschlossen.
Das Ergebnis dieses jahrelangen Wegsehens ist eine inzwischen hohe Verschuldung von mehr als 350 Millionen Euro der Stadt Langenhagen, die zu dem sogenannten „Haushaltssicherungskonzept“ führen könnte. Übrigens ein verwaltungstechnischer Begriff, der die Dramatik der Lage nicht widerspiegelt.

Wenn es nicht schon längst zu spät dafür ist, kann nur noch eine dramatische Kursänderung verhindern, dass die Finanz-Aufsicht von der Region Hannover übernommen werden wird.
Stellt sich die Frage: „Was geht das dem einzelnen Bürger oder besser Einwohner (vom Kinde bis zum Greisen) Langenhagens an?“
Steuern und Abgaben der hierzu Zahlungspflichtigen sind bereits so hoch, dass da nicht mehr „viel geht“. Wenn die Einnahmen aber nicht erhöht werden können, geht es an das rigorose „Sparen“.  Die Region würde nur noch Ausgaben genehmigen, die zu den gesetzlich festgelegten Pflichtaufgaben der Stadt gehören. Es gäbe keinen Gestaltungsspielraum mehr. Der Rat könnte seine Arbeit weitestgehend einstellen.

Für Kunst, Kultur und Sport würde kein Geld mehr zur Verfügung stehen. Neue Projekte in diesem Bereich könnten nicht mehr auf den Weg gebracht werden. Straßenbau, Landschaftspflege und Naturschutz (und Vieles mehr) wären nur noch auf Sparflamme zu haben. ALLES über das Muß hinaus würde gestrichen werden.

Was geht es also dem einzelnen Einwohner an? Viel, sehr viel sogar. Denn alle wären in irgendeiner Form vom auferlegten „Sparzwang“ betroffen.

Diese Lage kommt durchaus nicht überraschend. Denn alle Ratsbeschlüsse, die eine (vermeidbare) finanzielle Auswirkung auf den städtischen Haushalt haben, werden von der Abteilung 20 – Finanzen – der Stadtverwaltung Langenhagens nicht mehr mitgetragen. In allen diesbezüglichen Drucksachen, die dem Rat vorgelegt werden, findet sich der Hinweis auf die Überschuldung der Stadt Langenhagen. Und ob wir bis zum Jahr 2024 noch die Zeit haben, ist nicht ausgemacht. Denn Bund und Länder sind ebenfalls unumkehrbar überschuldet. Hinzu kommt die anziehende Inflation, die in diesem Jahr 2021 schon bei fünf Prozent und darüber liegen dürfte.

Die Finanzabteilung (Abt. 20) der Stadtverwaltung Langenhagen ist bei allen Drucksachen mit finanziellen Auswirkungen zu beteiligen. Wenn keine gesonderten Vermerke in der Drucksache enthalten sind, hat die Finanzabteilung die Drucksache kommentarlos mitgezeichnet.

In folgenden Drucksachen, und das ist nur eine Auswahl, hat die Finanzabteilung auf die schlimme Finanzlage der Stadt Langenhagen hingewiesen:

Vorlage – BD/2019/276-2-1  

Betreff: Erweiterung der Grundschule Engelbostel – Beauftragung der weiteren Leitungsphasen (LPH 3-9)

Stellungnahme Abt. 20 – Finanzen: „Es erfolgt keine Mitzeichnung – Auch wenn die Drucksache inhaltlich nachvollziehbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass der Haushalt bereits defizitär ist und auch bleiben wird. In der Drucksache werden Mehrkosten von über 2 Mio. € beziffert, die wiederum Kreditfinanziert werden müssen. Der Schuldendienst kann schon jetzt nicht mehr erwirtschaftet werden. Im Haushalt 2021 und in den Finanzplanjahren sind bereits Kredite von mehr als 350 Mio. € geplant.“

Vorlage – BD/2021/239  

 
  Betreff: Außerplanmäßige Ausgabe zur Durchführung des Projektes „Mensch-Roboter-Kollaboration – Robonatives,Technologielabor“ der IGS Langenhagen

Die tatsächlich zu tragenden Kosten liegen bei 4.975,10 €.

Stellungnahme Abt. 20 – Finanzen: Keine Mitzeichnung – Die Durchführung des Projektes ist grundsätzlich nachvollziehbar. Aus finanzieller Sicht lassen die derzeitige Haushaltslage und die aktuell geltenden Vorschriften der vorläufigen Haushaltsführung aber keinen Handlungsspielraum, um diese freiwillige Leistung einzugehen. Die Unabweisbarkeit zur Rechtfertigung einer außerplanmäßigen Ausgabe ist zudem nicht gegeben.

Vorlage – BD/2019/004-2  

 
  Betreff: Sporthalle RKS/LIGS Neubau einer Sporthalle: Kostenannahme

Nach Beschlussfassung durch VA/RAT wird mit der Ausführung beauftragt: Abt. 65 – Hochbau

Stellungnahme Abt. 20 – Finanzen: „Keine Mitzeichnung – Die genannten Kosten sind noch nicht im Haushalt verankert, dennoch muss bereits jetzt jede Investition im Finanzhaushalt über Kredite finanziert werden. Der Schuldendienst kann aber schon jetzt nicht mehr erwirtschaftet werden.“

Vorlage – BD/2017/461-4  

 
  Betreff: Erweiterung IGS SÜD: Beschluss im Projektverlauf LP2 / Beauftragung der weiteren Leitungsphasen (LPH 3-9)

Empfehlung der Verwaltung:

Die Verwaltung empfiehlt die Maßnahme umzusetzen, um einen Mangel an adäquaten Unterrichtsräumen und Entwicklungsmöglichkeiten für die IGS SÜD vorzubeugen.


Nach Beschlussfassung durch VA/RAT wird mit der Ausführung beauftragt: Abt. 65 – Hochbau

Stellungnahme Abt. 20 – Finanzen: „Keine Mitzeichnung – Der Haushalt ist bereits defizitär und wird dies auch über Jahre bleiben wird. In der Drucksache werden bereits jetzt schon Mehrkosten von knapp 6 Mio. € beziffert, die wiederum Kreditfinanziert werden müssen. Der Schuldendienst kann schon jetzt nicht mehr erwirtschaftet werden. Im Haushalt 2021 und in den Finanzplanjahren sind bereits Kredite von mehr als 350 Mio. € geplant.“

Vorlage – BD/2019/425-1  

 
  Betreff: Neubau Feuerwehr Kaltenweide/Krähenwinkel: Vorstellung LP2, Beschluss LP3 bis LP9

Empfehlung der Stadtverwaltung:

Die Stadtverwaltung empfiehlt die weiteren Beauftragungen und notwendigen weiteren Ausschreibungen der Planungs- und Bauleistungen durchzuführen. Das aktuelle Vorentwurfskonzept der Gebäude- und der Freianlagenplanungen soll hierbei umgesetzt werden.

Die Maßnahme soll öffentlich ausgeschrieben werden. Den Zuschlag sollen jeweils die Büros und Firmen erhalten, die in ihren Fachbereichen die wirtschaftlichsten Angebote unterbreiten.

Seitens der Abt. 20 – Finanzen erfolgte keine Mitzeichnung: „Die Mehrkosten belaufen sich auf mehr als 5 Mio. € die zu 100 % Kreditfinanziert werden müssen. Der Schuldendienst kann schon jetzt nicht mehr erwirtschaftet werden. Im Haushalt 2021 und in den Finanzplanjahren sind bereits Kredite von mehr als 350 Mio. € geplant.“

Nach Beschlussfassung durch VA/RAT wird mit der Ausführung beauftragt: Abt. 65 – Hochbau

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wieder herstellen

Langenhagen. „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, Art. 20 GG“. Das funktioniert aber nur, wenn der Bürger über die Lage in Stadt und Land möglichst vollständig und wahrheitsgemäß informiert wird.
Weitere Voraussetzung ist, daß sich die Politiker der Vollständigkeit und Wahrheit ihrer Aussagen verpflichtet fühlen.
Nur so kann der Bürger sich ein eigenes Bild von der Lage machen und jene Politiker in die Entscheidungsgremien wählen, die seinen Interessen am ehesten vertreten könnten.

Wie sieht es mit der wahren Lage in Langenhagen aus? Wird sie dem Bürger gegenüber richtig dargestellt?
„Ja – aber es kommt darauf an!“, wäre wohl die richtige Antwort. Nämlich darauf, um was es geht.
Es muß hier zudem gefragt werden: „Wer ist im Besitz der richtigen und wichtigen Informationen und wie geht er damit um?
Politisch relevante Informationen sind ihrem Wesen nach passiv. Daher sind Menschen erforderlich, die diese Informationen überhaupt zur Kenntnis nehmen. Sind sie zudem dazu fähig, diese richtig zu erfassen, zu beurteilen und daraus eine zukünftige Entwicklung abzulesen?

Grundsätzlich ist die Stadtverwaltung im Besitz dieser Informationen. Von den über 1100 städtischen Mitarbeitern haben aber nur wenige Leute einen (formalen) vollständigen Zugriff darauf.
Einer davon ist der Bürgermeister. Was aber, wenn der Bürgermeister sich lieber im Freien bei Einweihungsfeiern fotografieren läßt, anstatt sich um die Lage der Stadt und um die „strategische Stadtentwicklung“ zu kümmern? Wenn er all dies seinem verbeamteten Stadtbaurat überläßt?
Dann tritt die Situation ein, daß die oben gestellte Frage mit einem „Nein!“ beantwortet werden muß. Der Bürger erhält aus dem Kreis der Verwaltung eben keinen ausreichenden Blick auf die wahre Lage seiner Stadt. Selbst aus dem Rat hört man gelegentlich die Klage, daß die Verwaltung „mauert“; Informationen nicht preisgibt. Gern versteckt man sich dabei auch hinter dem Datenschutz oder andere Verschwiegenheitsverpflichtungen.
Folglich wird der Bürger im Grunde politisch entmündigt und die anstehende demokratische Wahl zu einer fragwürdigen Aktion.
Insbesondere die CDU und die SPD scheinen als alte politische Parteien keinerlei Interesse daran zu haben, daß sich an der gegebenen Situation irgendetwas ändert. Der Bürger soll sie wählen gehen und sich anschließend aus dem „Geschäft“ heraushalten.
Eine jahrzehntelang vor allem SPD-geführte Stadt Langenhagen hat die Stadtverwaltung rot eingefärbt und korrumpiert. Machtkonzentration befördert nun mal die Korruption. Die Grenzen zwischen Politik und Verwaltung sind hier verschwommen – die großen Parteien haben sich den „Staat zur Beute“ gemacht, wie es Max Weber bereits 1919 in „Politik als Beruf“ skizzierte.

Gerriet Kohls, Langenhagen

https://www.deutschlandfunk.de/kursiv-max-webers-immer-aktueller-vortrag-politik-als-beruf.1310.de.html?dram:article_id=193616