Langenhagen. Darf eine Behörde alles wissen? Muß eine Behörde alles wissen, um die Amtestätigkeiten vollziehen zu können? Mindestens im Bezug auf das Meldewesen scheint die Stadtverwaltung Langenhagen davon ausgehen zu wollen.
Offenbar glauben die verwöhnten Beamten, daß der Bürger nur Pflichten hat und die Verwaltung nur Rechte.
Anlaß der Kritik: Seit Jahren fordert die Verwaltung gewohnheitsmäßig die Vorlage der Heiratsurkunde, wenn der Bürger einen neuen Reisepass beantragt. Die Heiratsurkunde wird gescannt und als Bilddatei im System abgespeichert.
Personenstandsfragen und deren Dokumente gehören jedoch als sensible Daten in den Vertrauensbereich des besonders verpflichteten Standesbeamten.
Die Meldebehörde, die bekanntlich sehr großzügig mit der Weitergabe der Bürgerdaten umgeht, ist da keineswegs die vertrauenswürdige Institution. Hinzu kommt, daß eine Behörde nur die Daten heranziehen darf, die zur Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich sind. Ein Übermaß ist unzulässig.
Dies bekümmert die Stadtverwaltung von Langenhagen aber nicht. Es interessiert dort niemand, daß hier massiv in das Bürgergrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, abgeleitet aus Artikel 2 des Grundgesetzes, eingegriffen wird. Grundrechtseingriffe darf der Staat und damit auch die Verwaltung Langenhagens nur aufgrund eines Gesetzes vornehmen. Eine solche gesetzliche Eingriffsbefugnis existiert aber nicht. Ganz im Gegenteil. Die Datenschutzvorschriften geben enge Grenzen vor und fordern „Minimalität“ bei der Datensammlung.
Es stellt sich also die Frage, warum die digitale Einbehaltung der Heiratsurkunde der Verwaltung so wichtig ist? Und dies ganz generell – auch von eingesessenen Bürgern, die bereits Reisepaß und Personalausweise von der Meldestelle in den Jahren zuvor erhalten haben. Was aktiviert die mit viel Mehraufwand verbundene Sammelwut?
Grundrechtseingriffe darf der Staat nur vornehmen, wenn die Maßnahme erforderlich, geeignet und rechtmäßig ist. Fehlt nur ein Argument, so ist die Maßnahme rechtswidrig.
Für die Reisepaßbeantragung durch Bürger benötigt die Meldebehörde aber nicht den Besitz der Heiratsurkunde im eigenen Datenbestand. Das gescannte Dokument ist dafür schlicht nicht erforderlich. Das Handeln der Meldebehörde ist auch nicht durch ein Gesetz gedeckt. Das Handeln ist also rechtswidrig.
Art. 20 Abs. 3 GG besagt: Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
Wer Verbotenes tut, kann unter Umständen bestraft werden. Es muß folgerichtig geprüft werden, ob die Stadtverwaltung Langenhagen Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten begangen hat oder auch weiterhin begeht. Erforderlich ist ein Blick in die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und das Strafgesetzbuch (StGB).
Gerriet Kohls, Langenhagen
Quellen:
Art. 83 DSGVO Allgemeine Bedingungen für die Verhängung von Geldbußen
https://dsgvo-gesetz.de/art-83-dsgvo/
§ 42 BDSG Strafvorschriften
https://dsgvo-gesetz.de/bdsg/42-bdsg/
§ 43 BDSG Bußgeldvorschriften
https://dsgvo-gesetz.de/bdsg/43-bdsg/
§§ 202 a – 204 StGB (u.a. Verletzung von Privatgeheimnissen)
https://dejure.org/gesetze/StGB/203.html
Wer als Bürger in seinen Rechten verletzt wird, hat zudem ein Klagerecht und möglicherweise einen Anspruch auf Schadensersatz. Siehe:
§ 823 Schadensersatzpflicht Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__823.html